Wer war Johann B.? Trommsdorff und der Aufbruch in die Moderne

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Zu seinem 250. Geburtstag wird der Erfurter Pharmazeut, Publizist und Humanist von europäischem Rang in einer aufwändigen kulturhistorischen Schau gewürdigt. Die Besucher erleben dabei hautnah den Aufbruch in ein neues Zeitalter, welches uns in seinen Widersprüchen bis heute prägt. Die Sonderausstellung des Erfurter Stadtmuseums ist bis zum 30.05.2021 zu sehen.

Die Ausstellung zeichnet das Leben und Wirken des berühmten Erfurter Apothekers nach
(Foto: Stadtverwaltung Erfurt, Dirk Urban)

Der Beigeordnete für Kultur und Stadtentwicklung, Dr. Knoblich, schrieb im Geleitwort des Kataloges zur Ausstellung: »Im Falle von Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770–1837), der die Pharmazie maßgeblich prägte und als Reformator des deutschen Apothekenwesens gilt, ahnten wir nicht, dass im Jahr seines 250. Geburtstages eine Pandemie ausbrechen würde. Woran könnte man eindringlicher zeigen, wie wichtig interdisziplinäre Forschung ist, um Krankheitsursachen zu erkennen, ihre Bekämpfung oder Eindämmung erfolgreich vornehmen und die Gesellschaft aufklären zu können?«

Vom 16. zum 18. Jahrhundert vollzieht die Medizin in Europa einen Wandlungsprozess: Empirische Beobachtung trat neben überliefertes Wissen, die Anatomie des menschlichen Körpers wurde eingehend erforscht, das ärztliche Interesse an Heilpflanzen führt zum Aufstieg der modernen Botanik, chemische, labortechnisch hergestellte Arzneimittel halten Einzug in die heilkundliche Praxis, städtische Obrigkeiten schaffen neue Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitspflege. 1790 übernimmt J. B. Trommsdorff die väterliche Schwanen-Ring-Apotheke am Anger in Erfurt. Nachdem er 1809 zum Dr. med. promoviert wird und bereits seit 1795 Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät über Pharmazeutische Chemie, Mineralogie, Geschichte der Chemie und Rezeptierkunst hält, ist sein Aufstieg an die europäische Spitze der pharmazeutischen Wissenschaften nicht mehr aufzuhalten. Mit einem modernen Ausbildungskonzept für Pharmazeuten wird er bis 1828 zum Wegbereiter eines modernen akademisch geprägten pharmazeutischen Studiums. Trommsdorff gestaltete als Pionier den Aufbruch in die Moderne um 1800 mit. Eingebettet in wechselvollen Zeiten schrieb der Apothekenbesitzer selbst Geschichte als ein Begründer der modernen Pharmazie und Fachmann von internationalem Rang. Er gab zahllose Veröffentlichungen heraus, gehörte renommierten Gelehrtengesellschaften an und spannte mit seinem »Journal der Pharmacie« ein frühes kommunikatives Netz über Europa und weltweit. Seiner Heimatstadt stets treu geblieben, war er zugleich ein innovativer, geschäftstüchtiger Mann der Praxis, ein unbeirrbarer Optimist und Humanist. Von praktischem Nutzen für die Stadtgesellschaft waren seine Untersuchungen verschiedener Brunnen in Erfurt und Umgebung, wobei seine Wasseranalysen auch im Ausland gefragt waren. Er übernahm öffentliche Ämter, wurde in die Sanitätskommission berufen und 1804 zum Braukommissar ernannt. Trommsdorff machte sich auch um die Nutzung von Färberwaid, die Rübenzuckergewinnung und die Opiumherstellung verdient. Vor Justus von Liebig beschäftigte er sich intensiv mit der Anwendung chemischer Grundsätze im Ackerbau und wurde zum Wegbereiter der modernen Agrikulturchemie.

In Teilen mutet die Ausstellung wie ein Kommentar zur aktuellen Pandemie-Lage an, ist tiefgründig und über die derzeit bedrückende Gegenwart hinausweisend spannend gestaltet. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfurter und ihre Gäste sie recht bald besuchen können!

Wer war Johann B.? Trommsdorff und der Aufbruch in die Moderne
Bis 30.05.2021, Di–So 10–18 Uhr Stadtmuseum »Haus zum Stockfisch«
Johannesstraße 169, Erfurt