Jedes Türchen ein Pläsierchen: Der belesene Adventskalender

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Sie brauchen dieser dunklen Tage mal wieder frische Lektüreideen? Wissen wieder einmal nicht, was verschenken an Weihnachten? Ein Buch geht immer – und Vorschläge haben wir reichlich. Bis zum 24. Dezember öffnen wir hier täglich ein weiteres Türchen, um Ihnen eines jener Bücher mit dem besonderen Etwas vorzustellen, die dieses Jahr das Licht der Welt erblickt haben. Kommen Sie mit uns auf Adventslese – möglicherweise werden Sie ja fündig. Hinter Türchen Nr. 3 zum Vorschein kommt heute:

Judith Schalansky: »Atlas der abgelegenen Inseln«

Judith Schalansky: „Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfundfünfzig Inseln, auf denen ich noch nie war und niemals sein werde“ (Neuauflage)
mare Verlag, 160 Seiten (geb.)

Erweitert und neu aufgelegt: poetische Inselporträts

Was für eine besondere, seltsame und unbedingt bestaunenswerte Sammlung hat da zwischen zwei Buchdeckeln Platz gefunden: fünfzig entlegene Inseln, die – man kann es nicht anders sagen – in jeder Hinsicht weit entfernt sind: entfernt vom Festland, von Menschen, von Flughäfen und gängigen Reiserouten. Manche Inselnamen kennt man, die meisten dürften einem unbekannt sein. Diego Garcia, Einsamkeit, Fangataufa, die Deception-Insel, Socorro, Amsterdam, Pagan, das Clipperton-Atoll u.v.m.. Zu jedem Inselporträt gesellt sich eine auf den Umfang einer Seite gebannte kleine Prosaminiatur: eine jede sorgsam komponiert; eine jede die jeweilige naturwissenschaftliche und/oder historische Besonderheit herausstellend. Mal handeln diese von geologischen oder geografischen Eigenheiten, mal von seltenen Tieren und seltsamen Menschen – von gestrandeten Sklaven und einsamen Naturforschern, verirrten Entdeckern und verwirrten Leuchtturmwärtern, meuternden Matrosen, freiwilligen und unfreiwilligen Robinsons. Eine ganze Fülle an besonderen Geschichten quillt ganz offensichtlich aus diesen abgelegenen Inseln hervor.

Leider, irgendwie aber auch verständlicherweise, ist dieser aufwendig und höchst kunstvoll gestaltete „Atlas der abgelegenen Inseln“ der Schriftstellerin und Buchgestalterin Judith Schalansky nach seinem Ersterscheinen im Jahr 2009 schon lange vergriffen. Wurde zwar mittlerweile mehrfach in andere Sprachen übersetzt, hat auch anderen Autoren und Autorinnen zur Inspiration für ähnliche ‘poetische Atlanten‘ verholfen – ja, hat sogar bereits so manch zivilisationsmüden Globetrotter zu der verwegenen (und doch unnötigen) Zielstellung animiert, sämtlichen jener ‘fünfzig abgelegenen Inseln‘ einen Besuch abzustatten – und ist im Original nichtsdestotrotz hierzulande eigentlich nur noch im Gebrauchtbuchhandel erhältlich – bis jetzt: Nun hat der mare Verlag das in den vergangenen zehn Jahren zum Klassiger gereifte Buch endlich wieder aufgelegt – und Judith Schalansky selbst den hinsichtlich seiner Fakten auf den neuesten Stand gebrachten Atlas gleich noch um weitere fünf Miniaturporträts entlegener Eilande mit dem besonderen Etwas sowie ein neues Vorwort bereichert. Diesem ist übrigens u.a. auch die kleine Skurrilität zu entnehmen, dass die Autorin seinerzeit, als sie den „Atlas der abgelegenen Inseln“ zusammenstellte, davon ausgegangen war, damit eine neue Literaturgattung geschaffen zu haben, um dann jedoch kurz nach Abschluss des Buchprojekts in einer Bibliothek festzustellen: Derartige enzyklopädische Reise(ver)führer für den Armlehnsessel oder die Couch hat es schon vor 500 Jahren gegeben. Doch während damals im 15./16. Jahrhundert die literarisch-geografische Reise per Insel-Enzyklopädie schon allein aufgrund der extrem geringen Anzahl vorhandener Exemplare höchstwahrscheinlich nur den obersten Kreisen der Gesellschaft vorbehalten war, kann, darf und sollte man heute keinesfalls zögern, sich selbst – oder für andere – ein Exemplar dieser literarischen Kostbarkeit zu sichern – bevor es neuerlich ausverkauft ist.