Lesestoff für die Dunkelzeit

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Mit dem neuerlichen bundesweiten Lockdown ist der Zugang zu kulturellen Angeboten außerhalb der eigenen vier Wände erneut empfindlich eingeschränkt worden – ein Umstand, der das Buch noch mehr als sonst in der dunklen Jahreszeit zu einer willkommenen Alternative werden lässt. Bei der Qual der Wahl der passenden Lektüre stehen wir natürlich gern hilfreich zur Seite — mit Büchertipps zu aktuellen Neuerscheinungen. Heute:

»The Travel Episodes: Von Abenteuern in der Ferne und vor der Haustür«

Jenseits der Komfortzone: Geschichten vom Reisen

„The Travel Episodes: Von Abenteuern in der Ferne und vor der Haustür“, hrsg. von Johannes Klaus
Malik Verlag, 320 Seiten (brosch.)

Literarisch zu reisen erfreut sich ja schon seit eh und je großer Beliebtheit – und dürfte aktuell sicher noch größere Zuwendung erhalten. Willkommenen Nachschub liefert der gerade erschienene fünfte Band der von Johannes Klaus herausgegebenen „The Travel Episodes“-Buchreihe. Nachdem diese sich im vorangegangenen Teil der Lust am Alleinreisen widmete, ist der Blick nun mit der Untertitelung „Von Abenteuern in der Ferne und vor der Haustür“ wieder etwas unspezifischer ins Weltenrund gerichtet. Wobei „vor der Haustür“ angesichts der im Buch bereisten Orte und Gegenden eher etwas fragwürdig daherkommt, finden doch gerade einmal zwei der insgesamt 21 hier versammelten Reise- bzw. Abenteuergeschichten tatsächlich vor der Haustür, also in Deutschland statt. Aber vielleicht sollte man da den Blick auch einfach ein wenig weiten – schließlich werden ‘Haustüren‘ heutzutage ja längst auch vor der eigenen Landesgrenzen oder gar jenen Europas verortet.

Zudem: Für den Reisenden ist zweifellos ohnehin die ganze Welt ein Zuhause und damit dieses „vor der Haustür“ gleichfalls überall. Und für uns, den Lesenden, der sich aktuell coronabedingt nach wie vor sehr darin beschränkt sieht, eigenen Träumen vom Reisen nachzugehen, wohl sowieso das Beste, was man sich gegenwärtig zuführen kann, um diesen möglichst nahe zu sein. Darüber hinaus vielleicht auch zukunftsweisend: Schließlich setzt sich doch mittlerweile mehr und mehr das Bewusstsein oder die Erkenntnis durch, dass wir so wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Zukunft nicht mehr reisen können und wollen. Stichwort „Corona“, Stichwort „Klimawandel“. Womit dem Stellvertreterreisen, sei es als audiovisuelle Dokumentation, sei es als literarische Dokumentation mehr und mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit zukommen dürfte. Also die Welt durch die Augen anderer entdecken. Wünschenswerterweise natürlich gut erzählt und zum Nacherleben anschaulich aufbereitet. Johannes Klaus, selbst leidenschaftlicher Reisender, beweist als Herausgeber der „The Travel Episodes“-Serie auf jeden Fall auch in diesem Band wieder ein gutes Händchen, wenn es um die Auswahl wortgewandter Autoren und Autorinnen geht, die ihre Reisen und Abenteuer in prosaische Erzähltexte verwandeln. Natürlich fällt bei weitem nicht eine jede oder ein jeder von diesen in die Kategorie „Maler/in mit Worten“, natürlich merkt man den Texten an, ob sie von einer professionellen (Reise)Journalistin oder einem enthusiastischen Reiseblogbetreiber verfasst wurden. Aber tatsächlich macht gerade dies einen der Reize aus, den dieses Buch hat: Die literarische Qualität der Beiträge – teilweise von ‘Wiederholungstäter:innen‘ verfasst, die  auch schon in den vorangegangenen Ausgaben Reiseerlebnisse veröffentlichten –ist so vielfältig wie die Reiseziele und Abenteuer, die darin geschildert werden.

In diesem Sinne ist es genauso lohnenswert, mit dem Geschwisterpaar Hermes den Amazonas über gut 3000 Kilometer hinweg im Kanu zu bereisen wie etwa sich mit Abenteurer David Franz auf eine Wanderung zu Fuß durch grönländische Wildnis zu begeben, mit Fredy Gareis das Zivilisationsabenteuer ‘Vanlife‘ auf deutschen Straßen auszuprobieren, mit Philipp Laage den Pik Lenin zu besteigen oder die Langstreckenwanderin Ana Zirner ein Stück weit auf ihrer 800 Kilometer-Pyrenäen-Wanderung zu begleiten. Alle versammelten Beiträge transportieren eine Begeisterung für das Draußen- und Unterwegssein, dass man sich tatsächlich 21-fach ‘mitgenommen‘ fühlt – hinaus in die mal nah oder fern gelegene, immer wieder Entdeckenswertes bzw. Neues bereithaltende Fremde.

In jedem Sinne positiv auffallend ist hierbei, wie viele der versammelten Autor:innen sich aus innerer Überzeugung um ‘alternative‘ und/oder nachhaltigere Reiseformen bemühen. Also lieber mit Zelt oder per Couchsurfing unterwegs sind als in Hotels schlafen; lieber die eigene Komfortzone verlassen als sich nur entlang instagramtauglicher Wohlfühl-Massentourismus-Routen zu bewegen; lieber zu Fuß oder per Anhalter reisen als das Flugzeug zu nehmen, selbst wenn es sich um wirklich ferne Reiseziele handelt. Weil sie um den ökologischen Fußabdruck wissen, den ein jeder ihrer Ausflüge ins Weltenrund hinterlässt – weil sie trotz aller Privilegien, die sie als Reisende mit deutschen Pass in der Welt genießen, lieber nach Möglichkeiten suchen, eben jene mit mehr Zurückhaltung und kulturellem Tiefgang für sich zu entdecken als in der häufig komplett moral- und gewissensbefreiten Art des Reisens mitzuschwimmen, die man leider immer noch zu häufig im Massentourismus und seinen diversen Auswürfen antrifft. So sind die dargebotenen Reise- und Abenteuergeschichten nicht nur im besten Sinne mitrei(s)ßend- unterhaltsam, sondern bieten auch so manch wertige Inspiration für die nächsten eigenen Reiseabsichten. Im Rahmen der Möglichkeiten…

Wer sich von einem oder allen im Band versammelten Reise- und Abenteuerepisoden übrigens so ‘angefüttert‘ fühlt, dass er umgehend mehr Stories vom jeweiligen Autor, von der jeweiligen Autorin lesen und nachspüren möchte, dem sei unbedingt ein Blick in das Autor:innen-Verzeichnis am Ende des Buchs empfohlen: Neben biografischen Infos zu den Verfasser:innen sind hier auch die jeweiligen persönlichen Reiseblog-Webadressen aufgeführt, die auf Blogs und Homepages führen, die mitunter so umfassend mit Abenteuer, Erlebnis und Eindrücken gefüllt sind, dass man dort lesend locker tages- oder abendfüllend auf die Reise gehen kann, auf dem eigenen Sofa, hinter der eigenen Haustür.