Andreas Rebers kommt mit neuem Programm ins Köstritzer Spiegelzelt nach Weimar

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Ein Akkordeon genannt `meine Strapsmaus`, ein Flügel namens `Steinway`, ein Kabarettist mit Namen Andreas Rebers und 100 Minuten Redezeit. Was gibt das unterm Strich? Eine Erweckung der Giftklasse A, eine Entdeckung mit vier Hauben, ein Ereignis erschütternder Natur. Wie wird sich dieser Mann in Zukunft noch steigern können? Zu Rebers’ neuen deutschen Arbeiterliedern lässt sich Polka tanzen und marschieren. Zu Ikea, Aldi, Tchibo oder zum Baumarkt, dem Sponsor des Abends.“, so beschrieb einst im Jahre 2003 die Neue Zürcher Zeitung sein Programm. Jetzt kommt der vielfach ausgezeichnete Kabarett-Barde wieder einmal ins Köstritzer Spiegelzelt nach Weimar. Wir sprachen mit ihm.

Hallo, Herr Rebers, wie oft waren Sie bereits in Weimars „Köstritzer Spiegelzelt“? Und welche Eindrücke davon haben Sie noch heute?

Ich war von Anfang an dabei und bereits acht Mal oder öfter dort. Es ist großartig, Weimar gefällt nicht nur mir, auch meiner Frau und den Kindern. Wir spüren einen guten Geist. Das Publikum ist fantastisch und die anderen Kolleginnen und Kollegen erst! Ich komme gerne immer wieder!

Ihr neues Programm basiert auf Chansons von Franz Josef Degenhardt, den Sie einen „sozialistischen Liedermacher“ nennen. Die Süddeutsche Zeitung sagte einst, er sei „poetische Radikalopposition“ – doch es sind Texte und Lieder von vor 50 Jahren?

Degenhardt hatte sich ja mehr oder weniger dem Agitprop verschrieben, diese Chansons spielen das wider. Das Lied von den „Wölfen im Mai“ habe ich ins Programm genommen, als die AfD in den Bundestag eingezogen ist. Es ist nach wie vor aktuell; und nicht nur dieses Lied. Oder auch: wieder aktuell, denn die Nazis waren ja nie weg. Im Land der „Geschichtsbewußtseinslosen“. Hier finden sich ja Tugenden wieder, die den Nationalsozialisten einst zum Sieg verhalfen. Da will eine junge Generation die Welt retten, aber in Sachsen-Anhalt leben fünfzig Prozent der Rentner unter der Armutsgrenze…

Kommt nur Degenhardt in Ihrem Programm zu Ehren oder bringen Sie auch eigenes Liedgut mit?

Andreas Rebers gastiert am 20. Mai im Köstritzer Spiegelzelt.
Foto: Susie Knoll

Die Gesangstexte sind allesamt von Degenhardt, aber ich „lockere“ sie auf durch Auszüge von mir, Lesungen aus „Der kleine Kaukasus“. So nenne ich meine Heimat, in der ich als achtes von 11 Kindern meines Vaters aufgewachsen bin. Es gibt da quasi eine Kriegsfamilie in Quedlinburg; ich hatte immer diese Generation zu verstehen, damals gab es zur Verarbeitung der Kriegserlebnisse keine Therapie. Bei uns saß der zweite Weltkrieg mit am Tisch! Für uns Nachkriegsgeneration ist es wie ein De-Ja-Vu, für junge Leute die Möglichkeit, mehr darüber zu erfahren.

Man bezeichnet Sie auch als „gespenstisch gut“ – muss man Angst vor Ihnen haben? Bleibt das Lachen mitunter im Halse stecken?

Apokalypse now…In einer Zeit, in der sich politische Aktivisten als „Letzte Generation“ bezeichnen, ist mit denen wohl keine Zukunft mehr zu machen…??? Zum Glück ist noch nicht ganz klar, wer auf dieser Welt die „letzte Generation“ ist. Schon in der Bibel findet man Passagen, die ebenfalls furchterregend sind, in der Genesis zum Beispiel. Auch der Satz „Macht euch die Erde untertan!“ stammt daher. Ich versuche lediglich, das Konzept mit Humor zu versehen. Bei Degenhardt allerdings findet man immer Texte, die sich mit Untergangsgedanken beschäftigen.

Aus Ihrer eigenen Sicht gesehen – was oder wer sind Sie eigentlich in erster Linie? Ein Mahner, ein Musiker, ein Songschreiber und Texter, ein Dichter oder ein Kabarettist?

Ales zusammen. Ich bin ein Bühnenkünstler. Diese Antwort resultiert aus der Akzeptanz der Zuschauer. Solange die mir ihren Applaus reichlich spenden, bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich tue. Dazu noch einige Ehrungen…

Außer Akkordeon spielen Sie ebenso perfekt das Piano; ggf. auch Gitarre. Was noch?

Ich bin eigentlich ein Pianist oder Klavierspieler. Akkordeon habe ich ja studiert und – man glaubt es heute kaum noch – war sogar zu DDR-Zeiten auf Einladung des Ministerrates in Klingenthal, im Erzgebirge – einer sogenannten Wiege des Akkordeons! Dort fand ein weltumspannender Wettbewerb statt, an dem ich teilnehmen durfte. Man wollte dabei dieses Instrument aus der Volksmusik heraus in einen höheren Rang heben. Wohllöblich.

Unterstützung auf der Bühne erhält Andreas Rebers (Mitte) durch die beiden Gitarristen André Matov (links) und Samuel Halscheidt (rechts).
Foto: Janine Guldener

Aber eines stand auch fest: es haben immer die Sowjets gewonnen. Die anderen – auch US-Amerikaner, Franzosen oder wir Westdeutschen – wurden auf die nachfolgenden Plätze verwiesen. Ich habe trotzdem schöne Erinnerungen daran, wir wohnten in Ferienhäusern der Betriebe und Kombinate und hatten viel Spaß.

Was oder wer stört Sie im Moment am meisten in Politik und Gesellschaft?

Mit der Digitalisierung hat der Kapitalismus wahrscheinlich seinen Endsieg erreicht. Andere Überlegungen finden ja mehr oder weniger gar nicht mehr statt. Es hat eine Verlagerung gesellschaftlicher Veränderungen stattgefunden mit Hilfe der Medien, die zunehmend regierungspolitisch agieren (Beispiel Corona) oder auch als Sprachreiniger. Thema Gendern: mal ehrlich, wir können doch gesellschaftliche Gerechtigkeit nicht durch die Sprache herstellen! Es findet zurzeit eine Infantilisierung und gar Pornografisierung der Politik statt. Alles, was Frau Baerbock beispielsweise erzählt, ist kindlich, ja auch liebenswert, aber es gibt keine ernsthafte Diskussion darüber, wie es weitergehen soll in diesem Land. Jetzt bestimmen die Grünen die Nachrichten. Was soll ich dazu sagen, wenn eine Claudia Roth so was von sich gibt: „Die Grünen waren nie eine pazifistische Partei!“? Soziale Themen fehlen völlig. Die gibt es nur bei den Linken. Die Linken sind übrigens dringend erforderlich, weil die Politiker der Linken die besseren Fragen stellen in den Untersuchungsausschüssen. Dieter Hildebrand hat mal von gewünschter Alterskompetenz in der Politik gesprochen. Was für ihn hiess: Erfahrung, Demut, Weisheit und Geduld. Demokratie ist langsam und braucht Zeit!

Geniessen Sie trotz allem täglich Ihr Glas Weisswein, worauf Sie so schwören?

Im Moment gar nicht, denn ich bin im Fasten-Modus und mache eine längere Pause. Ich bewege mich aber dabei viel, gehe oft in die Berge wandern und bin inzwischen auch ein leidenschaftlicher Paddler.

Was bringen Sie den Leuten im Osten bzw. Ihrem Publikum in Weimar an Empfehlungen mit in diesen Zeiten oder was geben Sie ihnen mit auf den Weg?

A. Wie schon erwähnt, gastiere ich sehr gern im Osten Deutschlands. Meine Sympathie gehört den Leuten im Osten und Norden. Hier hören die Leute besser zu und sind noch so was wie solidarisch. In München beispielsweise (wo ich seit einiger Zeit lebe) fehlt mir der „Cottbus-Faktor“ – so bezeichne ich das. Es herrschen Arroganz und Hochmut. Dabei war es doch so, dass es eine Umfrage gab nach der Wende, wo denn das Bildungsniveau am höchsten sei, das war in Sachsen und Thüringen! Glückwunsch!

Vielen Dank fürs Gespräch sagt Sylvia Obst!

Andreas Rebers im Köstritzer Spiegelzelt Weimar: am 20. Mai um 20 Uhr am Beethovenplatz. Karten und Infos sowie das Chanson von den „Wölfen im Mai“ findet man unter www.koestritzer-spiegelzelt.de!