„Dann wird Mick Jagger zum Berserker!“

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Hermjo Klein ist der Entdecker von Riverdance und ein erfahrener Konzertveranstalter. 1964 begann er in der Livebranche. Der heute 77-Jährige kennt die Eigenheiten der Stars backstage ganz genau. Seit 1994 hat Klein erfolgreich Tourneen mit Künstlern wie Tom Jones, Bruce Springsteen, Johnny Cash, den Rolling Stones und vielen anderen in Deutschland und Europa organisiert. Am 30. November kommt Riverdance nach Erfurt (Messe). Unsere Redaktion hat mit Klein über seine Arbeit und sein Leben gesprochen.

Das Interview führte Reinhard Franke.

Hermjo Klein: Ich blicke natürlich dankbar zurück, dass mir so etwas widerfahren ist. Sicherlich gehört dazu auch etwas Instinkt – und auch Glück. Was ich besonders an Riverdance schätze, ist, dass das gesamte Team im Hintergrund, wie die Produzenten, Regisseure und Komponisten, aus unglaublich tollen Menschen besteht, mit denen ich inzwischen auch gut befreundet bin. In unserer Branche trifft man nicht oft Menschen, mit denen man sofort auf einer Wellenlänge ist. Mir ist bewusst, dass das ein Privileg ist.

Sie haben etwas geschaffen, was es so vorher noch nicht gab. Der irische Stepptanz ist ja ein traditioneller Tanz, aber das, was Riverdance daraus auf der Bühne gemacht hat, ist einfach Kult. Jetzt habe ich das Wort doch gesagt. (lacht) Riverdance berührt alle Generationen. Es ist etwas für die ganze Familie. Früher waren wir beim Rock’n’Roll stolz darauf, dass unsere Eltern ihn nicht mochten. Heute sage ich, wenn meine Kinder mich fragen, ob ich ihre Musik mag: Wenn ich sie mag, haben sie etwas falsch gemacht. Die beste Musik und Kunst sprechen Kopf, Intellekt, Bauch und Seele an – und das trifft auf Riverdance zu.

Ich erzähle immer gerne, dass in der heutigen Riverdance-Show zum Teil die Kinder unserer Tänzer:innen aus der ersten Show auftreten. Wir haben inzwischen also schon die nächste Generation dabei.

Riverdance ist ein fulminantes Spekatkel aus Stepptanz und irischer Musik.
Foto: Riverdance / Abhann Productions

Absolut. Der Legende nach entstandirischer Tanz, als eine Gruppe vor einer Kirche wartete, weil es kalt war und die Tür noch verschlossen war. Die Leute bewegten sich, um sich warm zu halten.

Beim Stepptanz hakt es noch etwas, aber ich habe früher Flamenco getanzt – schließlich habe ich spanische Wurzeln. Einer meiner besten Freunde war Paco de Lucia. In meinem Alter klappt das Tanzen aber nicht mehr so gut. Ich habe jedoch noch eine Traje – also eine Tanzkleidung. Leider passt sie mir nicht mehr. (lacht)

Meine Schwester ging immer in den Jazzclub in Karlsruhe, und irgendwann wollte ich mit. Sie sagte mir jedoch: „Da bist du viel zu jung.“ Aber irgendwann durfte ich doch mit, und ich war sofort vom Jazz und den Konzerten begeistert. Da spielten Leute wie Albert Mangelsdorff oder Oscar Pettiford. Während meines Studiums begann ich dann bei Fritz Rau (Agentur Lippmann & Rau, d. Red.) als Tourneeleiter. Eigentlich habe ich Malerei studiert, aber als in mein Atelier eingebrochen wurde, war das für mich ein Zeichen vom lieben Gott, dass ich wohl doch kein so Genie war wie ich dachte. So blieb ich bei der Musik – und sie ist ja auch faszinierend.

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich habe eine passende Anekdote dazu: Vor Jahren wurde mir vom Agenten die erste Tournee von Madonna angeboten – allerdings mit dem Hinweis: „Wir müssen hohe Preise nehmen, das ist einfach nötig!“ Es ging damals um 200 bis 220 D-Mark. Ich habe die Tour abgelehnt. Ich war überzeugt, dass die Leute das bezahlt hätten, aber dann wäre das Geld für die anderen Bands, die in den Clubs gespielt haben, nicht mehr da gewesen. Diese Entwicklung in der Branche ist wirklich bedenklich. Heute bieten die großen Player wie Live Nation gleich Welttourneen an. Früher machten wir Deutschland, Österreich und die Schweiz, und Amerika wurde von jemand anderem übernommen. Heute legt Live Nation (die weltgrößte Konzertagentur, d. Red.) zehn Millionen Euro auf den Tisch, und das war’s. Die Künstler sagen nichts, weil es sonst weniger Gage gibt.

Absolut. Damals waren die Tickets sehr günstig, allerdings waren auch nur etwa 180 Leute da. Ich möchte noch eine kleine Geschichte erzählen…

Ich habe über 40 Jahre mit Udo Lindenberg zusammengearbeitet, und wir sind bis heute gute Freunde. Wir stritten über jeden Ticketpreis. Udo wehrte sich mit Händen und Füßen gegen höhere Preise, und ich musste mit ihm über jeden Pfennig feilschen. Ich glaube nicht, dass sich das bei ihm geändert hat.

Hermjo Klein gemeinsam mit Udo Lindenberg.
Foto: Privatarchiv Hermjo Klein

Eines der ersten Konzerte außerhalb des Jazzclubs in Karlsruhe war Janis Joplin in der Frankfurter Jahrhunderthalle. Ich glaube, es kostete nicht mehr als 15 Mark.

Ich erinnere mich gerne an die Konzerte von Elton John und seinem Pianisten Ray Cooper. Ich war jeden Tag dabei, es war sensationell. Prägende Momente waren auch die Konzerte mit Joan Baez, als uns die Faschisten jagten und auf uns schossen. Sie ist ein unglaublicher Mensch – während der Bombardierung Hanois durch die Amerikaner spielte sie dortin einer Kirche. Man muss sich das mal vorstellen.

Alle waren unglaublich umgänglich, solange ich professionell gearbeitet habe. (lacht) Mick Jagger ist ein sehr netter Mensch, solange er merkt, dass du professionell bist. Aber wehe, wenn nicht – dann wird er zum Berserker.

Nein, ich war zu gut. (lacht laut)

Ja, mit dem Pianisten Liberace. Ich sagte ihm: „Lass das mit den vielen Ringen.“ Er trug Ringe, die bis zu 120.000 Dollar kosteten und erzählte dem Publikum stolz: „Das habt ihr bezahlt.“ In Amerika tobten die Leute, in Deutschland herrschte eisiges Schweigen. Ich hatte ihn gewarnt, aber er hörte nicht auf mich.

Hermjo Klein mit Harry Belafonte.
Foto: Privatarchiv Hermjo Klein

Ja, zu Udo Lindenberg und Nana Mouskouri, die nun aufhört. Auch mit Joan Baez und Jennifer Rush fühle ich mich verbunden. Ein enger Freund war Harry Belafonte, der leider verstorben ist.

Warum sollte ich nicht bodenständig sein? Die großen Stars sind meistens die Normalsten.

Freundschaften zu Künstlern gibt es kaum noch. Früher flog Fritz Rau zu Neil Diamond, und die beiden fuhren Motorrad, um die Tour zu besprechen – heute undenkbar.

Oh ja, Bruce Springsteen in der Frankfurter Festhalle: Er inspizierte jeden Sitzplatz mit mir und verlangte bei schlechter Sicht Preisnachlässe. Unglaublich.

Ich werde mir die Show bald ansehen, um mir eine Meinung zu bilden.

Dass es weiterhin tolle Konzerte zu erschwinglichen Preisen gibt. „Live is live“ – so abgedroschen wie es in dem Song von Opus  klingt, es stimmt.

Riverdance: am 30. November 2024 um 20 Uhr in der Messe Erfurt, Gothaer Straße 34. Karten sowie weitere Informationen sind zu finden unter www.messe-erfurt.de!