Unbeirrbare Mitmenschlichkeit

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In einer doppelten Werkschau mit über 100 plastischen Werken, graphischen Arbeiten, Zeichnungen, Fotos und Dokumenten widmet sich das Kunsthaus Apolda Avantgarde dieses Frühjahr dem künstlerischen Schaffen von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz.

Schon früh konzipierten Ernst Barlach (1870-1938) und Käthe Kollwitz (1867-1945) ihre künstlerische Arbeit im Widerspruch zu einer als kalt empfundenen, vom Materialismus geprägten Wirklichkeit.

Käthe Kollwitz: Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht (Federzeichnung, 1900 

Käthe Kollwitz stellte ihre Kunst in den Dienst gesellschaftlicher Verantwortung und hat eine Fülle von sozialrevolutionären Werken geschaffen. Ihre Aufmerksamkeit gilt jenen Menschen, die im Schatten des Fortschritts in ärmsten Verhältnissen leben und täglich um ihre Existenz ringen. In realistischer und appellativer Bildsprache klagt sie eine Wirklichkeit an, die solche Ungerechtigkeiten zulässt.

Während das Werk der Käthe Kollwitz von einer engagierten diesseitigen, auf die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteten Sichtweise und Zielperspektive konzentriert ist, lässt sich Ernst Barlach als Mystiker der Moderne beschreiben. Die Menschenbilder von Ernst Barlach tragen kaum individuelle Merkmale. Sie verkörpern symbolhaft die Grundzustände menschlichen Seins und sind Ausdruck geistiger Orientierung auf eine andere, eine bessere Welt.

Ernst Barlach: Güstrower Ehrenmal (Bronze, 1927)
Foto: © Ernst Barlach Museumsgesellschaft Hamburg

Mit über 100 Exponaten bietet die Ausstellung nicht nur einen retrospektiven Einblick in das Gesamtwerk beider Künstler im historischen Kontext, sondern sie spiegelt auch deren Weltanschauungen in die Gegenwart. Über die Grenzen der Existenz wollten Barlach wie Kollwitz in ihren Werken hinausgehen. Die aktuellen Debatten um soziale Verantwortung, Armut und Reichtum, Empathie und Engagement für den Frieden sind darin aufgehoben, ebenso wie die Sinnsuche des Menschen in der globalen von Krisen geschüttelten Gegenwart.

Die dialogische Konzeption der Ausstellungen verbindet das Werk von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz, zeigt deren Bedeutung für die Gegenwart und initiiert einen kritischen Diskurs über Wachstum und Fortschritt.

„Ernst Barlach — Käthe Kollwitz: Über die Grenzen der Existenz“: noch bis zum 18.04.2022 im Kunsthaus Apolda Avantgarde, Bahnhofstraße 42, Apolda. Weitere Informationen sind zu finden unter www.kunsthausapolda.de!

Vorträge im Begleitprogramm:
24.02.2022, 19 Uhr: „Das Wirkliche und das Wahrhaftige“ – Ernst Barlach. Leben und Werk“
17.03.2022, 19 Uhr: „Leid, Endlichkeit – und Hoffnung“
29.03.2022, 18:30 Uhr: „Ernst Barlach und der Krieg“

Text: Florian Berthold
Dieser Text erschien in Ausgabe Nr. 58 des tam.tam-Stadtmagazins.