Was bleibt von den 28. Jüdisch-israelischen Kulturtagen?

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(Foto: Alice End)

 Im Herbst ist es nun soweit! 2020 finden die Kulturtage unter dem Motto »Jüdische Lebenswelten« zum 28. Mal statt. Geplant sind die Kulturtage vom 30. Oktober bis zum 15. November mit ca. 40 Veranstaltungen an 14 Thüringer Orten. Ein breites Spektrum von Vorträgen, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen, Theatergastspielen, Kinovorführungen und Konzerten soll ein Eindruck der facettenreichen jüdisch-israelische Kultur vermitteln. 

Alles fertig geplant, die Finger wund geschrieben mit den neuen Auflagen, Hygienekonzepten in allen Städten vorgelegt, sehr oft vergewissert, dass man auch nichts bei den Gesundheitsämtern, Polizeipräsidien vergessen hat, der Großeinkauf in der Metro mit Hygieneartikeln erledigt und abgeschlossen – die Vorbereitung mit all ihren neuen Auflagen war vollbracht und dann kam der Mittwoch, der 28.Oktober: 

Ab dem Montag, den 02. November, bis einschließlich Ende November dürfe kein kulturelles Leben mehr stattfinden. Ein Schock! Am folgenden Donnerstag soll die Vernissage der Bilder osteuropäischer Synagogen des Fotografen und Musikers von Herrn Lutz Balzer stattfinden, quasi als Start aller Veranstaltungen im Rahmen der Kulturtage. 

Unerschütterlich beschlossen Herr Lutz Balzer und ich, Aline Bauerfeind, als Projektleiterin, dass die Vernissage mit 25 Personen stattfinden solle! Donnerstag ab 16 Uhr wurde aufgebaut, Hygieneartikel wurden bereit gestellt, Listen zur »Nachverfolgung« zum Ausfüllen, Warnschilder, Banner und Roll-Ups von Grafiker Andreas Waldmann aufgestellt und ab 18 Uhr begann eine wundervolle Reise durch Herr Lutz Balzers Fotografie-Ausstellung unter dem Titel: »Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel (4. Mose 24,5) Synagogen in Osteuropa«. In einem authentischen Vortrag und damit verbundener Diashow konnte das Publikum durch Lutz Balzers Vortrag ihn auf teils auch abenteuerlichen Reisen zwischen 1985 bis 1989 durch Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien begleiten, was ja bedeutete, aus der DDR aufzubrechen und in die Ferne zu entfliehen. Immer dabei auf Balzers Reisen: seine uralte Reflekta-Spiegelreflexkamera, »die sehr unauffällig zu handhaben war«, berichtet Balzer während seines Vortrages. 

(Foto: Alice End)

Nach 1989 veränderte sich die Entwicklung: Viele Synagogen wurden renoviert. Touristenmagnete wie Prag, Krakau und Budapest putzten sich und ihre jüdischen Bauwerke heraus. Die Ausstellung ist eine beeindruckende fotografische Zeitreise durch die jüngere Geschichte jüdischen Lebens in Osteuropa. Lutz Balzer wurde 1952 in Erfurt geboren, hat mehr als 30 Jahre an verschiedenen Theatern als Licht- und Tontechniker gearbeitet und ist freischaffend als Veranstaltungstechniker und Musiker tätig. Im Rahmen der Jüdischen Kulturinitiative in Thüringen VIA SCHALOM leitet er die Kinder- und Jugendtheatergruppe der Jüdischen Landesgemeinde und ist einmal im Monat mit der Sendung »Radio Schalom« auf Radio F.r.e.i. und Wartburg-Radio zu hören. 

Die Fotografie-Ausstellung ist per Anmeldung bei der Jüdischen Landesgemeinde in dessen Gemeindezentrum nach wie vor den ganzen November zu sehen, unter Beachtung all der gültigen aktuellen Corona-Regelungen. 

Das erste und leider einzige, damit auch letzte, musikalisches Event der Kulturtage konnte am Sonntag, dem 01. November noch im Gemeindezentrum der Jüdischen Landesgemeinde stattfinden: Auf Einladung des Zentralrats der Juden in Berlin und der Jüdischen Landesgemeinde in Erfurt eilten die drei Grazien »Gurgulitza« noch von Berlin nach Erfurt. Kaum standen jene Damen auf der Bühne, konnte das Publikum unter sich einen vibrierenden Soundteppich spüren. Ein imaginäres Fenster öffnete sich und alle blickten auf Märkte, im Herzen bunte Menschen und von Gesang 

wiederhallenden Kirchen in Bulgarien, der Türkei, Griechenland und Israel. Netta Shachar, Nitsan Bernstein und Madlen Stange entführten, begleiteten uns von einem Land zum nächsten und setzten uns sanft auf einen ruhenden Melodieteppich in der Jüdischen Landesgemeinde wieder ab mit ihrem letzten Lied »Bei mir biste scheen«. Und mit diesem beeindruckenden Erlebnis verabschieden sich die 28. Jüdisch-Israelischen Kulturtage Thüringens. Viele Musiker, Künstler und Kooperationspartner kamen nicht zum Zuge, um unsere gemeinsamen Projekte im Rahmen der mehr als zweiwöchigen Kulturtage zu präsentieren – zu unser aller großem Bedauern. Es heißt nun, nach jenem Schock zu sich zu kommen, sich auszuruhen und mit neuem Mut den 29. Jüdisch-israelischen Kulturtagen entgegen zu fiebern. 

In den letzten Tagen wurde diskutiert, ob eine Verschiebung bis Sommer 2021 des Festivals möglich sei oder man das bestehende Programm als die 29. Kulturtage komplett übernehme und umsetze. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es darauf keine Antwort, da wir alle nicht sagen können, wohin die Pandemie uns gesellschaftlich und wirtschaftlich führen wird – dass sie unser aller kulturelles Leben verändert und bereits verändert hat, steht außer Frage. 

Das gemeinsame Anliegen und Ziel der Thüringer Staatskanzlei und des Fördervereins für jüdisch-israelische Kultur in Thüringen e.V. ist es, nach wie vor auch 2021, das einseitige und von wiederkehrenden medialen Mustern geprägte Bild, das in Deutschland von Israel existiert, durch vielfältige Angebote und Informationen zu verändern. Ein wesentlicher Charakter der Kulturtage ist weiterhin die Vernetzung und Kooperation mit zahlreichen Organisationen, Stiftungen und Interessengruppen, die sich mit dem Thema jüdischer und israelischer Kultur befassen.